WIDS-Productions
  Texte
 

Auf dieser Seite finden Sie alle meine Texte.



Die Macht der Stimme

Ich arbeitete als Hafenarbeiter an der Westküste. Der Tag begann wie jeder andere. Mein Vorgesetzter schickte mich von einem Schiff zum anderen. Eine eintönige Arbeit. Bis zur Mittagspause dauerte es nicht mehr lange und ich machte mich schnell auf den Weg zum nächsten Schiff.

Es Kam aus dem Süden und lief gerade in die Docks an. Auch wenn ich viel Zeit hatte, da das Schiff hier zur einer nötigen Reparatur in die Werft musste, beeilte ich mich. Bei meiner Ankunft beschäftigten sich schon zahlreiche Arbeiter mit dem Festbinden des Schiffes. Ich machte mich nützlich und packte mit an. Heute war meine Arbeitsweise schnell und ordentlich, im Gegensatz zu anderen Tagen. Es durften heute keine Fehler passieren, die mir meine Zeit rauben würden. Unbedingt wollte ich früher in die Mittagspause gehen, in der Hafentaverne sitzen und meinen Tee trinken. Ungestört.

 

Die Passagierbrücke knallte mit voller Wucht auf das Holzpier. Ich blickte auf und sah einen Mann. Das Seil rutschte mir aus den Händen auf das Pier, und von da ins Wasser. Doch das störte mich nicht weiter. Ich interessierte mich mehr für den Mann im weißen Anzug, denn solche sieht man nicht alle Tage. Wahrscheinlich auch nur ein Mal im Leben. Er war außergewöhnlich hässlich! Seine große Nase stand nach rechts aus, als ob sie mehrmals gebrochen wäre. Die Haut war stark gebräunt, hier und da sah man Stoppeln. Die rechte Augenbraue war dicker als die andere und verbarg so fast das ganze Auge. Kurzes, an manchen Stellen verfiltztes Haar verdeckte seine Kopfhaut.

 

-„Ey! Du da!“ , rief ein Matrose, „Wieso so langsam? Ab!“

 

-„Ja, ich mach ja schon.“, schrie ich zurück.

 

Ich fing das Seil, das er mir zugeworfen hat und band es fest. Doch als ich erneut aufblickte, konnte ich den Mann nicht mehr auf dem Pier vorfinden.

 

Das Abladen des Gepäcks ging schnell von der Hand, und ich machte mich auf den Wer in die Taverne. Der Mann ging mir eine Weile nicht aus dem Kopf. Ich steckte meine Hand in die Tasche und kramte das letzte Kleingeld raus. Es würde sogar noch für 2 Tassen Tee reichen. Die Tür zur Taverne ging auf und ein Mann ging raus. Ich schlüpfte schnell durch die Lücke und ging zur Theke. Um diese Uhrzeit war die Taverne recht voll und ich musste mich durch die Menschenmassen durchdrängen um an meinen Stammplatz zu kommen. Der war zum Glück nicht besetzt. Ich winkte dem Barkeeper zu, er nickte.

 

Ich fasste nach der Teetasse, die mir der Kellner auf die Theke gestellt hatte und nahm einen kleinen Schluck raus. Die verspiegelte Bar verschaffte mir einen perfekten Ausblick in den Großen Esssaal des Wirtshauses. Mein blick schweifte rasch über alle Sitzplätze und blieb bei einem schwach beleuchteten Ecktisch stehen. Es saß ein Mann da, Vor ihm ein Becher und ein Frühstücksbrot. Er war alleine und ich erkannte das es der Mann von dem Schiff war. Ich drehte mich auf dem Hocker zum Tisch und betrachtete den Mann eine Weile lang, bis unsere Blicke sich trafen. Ich wollte mich wieder wegdrehen, doch das wäre noch peinlicher gewesen. Etwas, einem Lächeln ähnlich, zierte das Gesicht des Mannes. Er winkte mich zu ihm. Zögernd setzte ich meinen rechten Fuß auf den Holzboden, nahm meine Tasse Tee und ging in Richtung des Tisches. Ein paar Meter vor dem Mann machte ich Halt. Der Mund des Mannes öffnete sich und ich erwartete ein Quacken oder Klaffen. Jedoch kam eine wunderbare, sanfte Stimme aus seiner Kehle.

 

-„Setzen Sie sich Mister.“, sagte er ruhig.

 

Langsam griff ich nach dem nächststehenden freien Stuhl und zog ihn vorsichtig heran, ohne viel Lärm zu machen. Ich wollte nicht auf mich aufmerksam machen und setzte mich hin. Gespannt sah ich ihn an und sagte nichts.

 

-“Ich bin es schon gewohnt, dass die Leute so auf mich reagieren.“,sagte er, “ Aber ich bin keine schlechter Mensch, auch wenn ich so aussehe. Ich bestreite es nicht, Gott hat mir eben kein gutes Aussehen verliehen, ganz im Gegenteil. Jedoch beschehrte er mich mit einer göttlichen Stimme. Diese brachte mich immer an mein Ziel. Egal was ich machte, meine Stimme öffnete mir alle Türen. Auch an die mächtigste Stelle eines Landes bin ich gekommen. Es ist jetzt unwichtig welches Land es ist. Natürlich konnte ich mit meinem Aussehen nicht ans Volk gehen. So hatte ich eine Marionette. Ich war die Stimme, der Mann musste nur seine Lippen zum richtigen Moment bewegen. Doch abgesehen von der Marionette regierte ich das Land.

 

Ich lebte in einer aufblühenden Stadt an der Küste, die ihre schönen Tage jetzt hinter sich hat. Dort hatte ich einen sehr guten Freund, den ich seit meiner Kindheit kenne. Was ihn betraf, war er genau das Gegenteil von mir. Schönaussehend und reich. Aber wenn er anfing etwas zu erzählen, konnte man einschlafen. Deswegen war auch ich der, der am meisten von uns sprach. Eines Tages bat er mich ihm einen großzügigen Gefallen zu tun. Er sagte, er habe eine wunderschöne in der Stadt gesehen. Seines Wissens nach, war es die Tochter des Generals. Dieser hatte eine Villa in

 

der Stadt, direkt am Strand, in einer prächtigen Villa. Er bat mich jeden Abend unter ihr Fenster zu gehen, angezogen in einen Mantel mit hohem Kragen, damit meine Visage nicht zum Vorschein käme. Ich sollte ihr schmeicheln und Liebessagungen zuflüstern. Ohne viel darüber nachzudenken, sagte ich zu.

 

Abends kam er dann zu mir. Mitgebracht hatte er eine Rose und den Mantel in passender Größe. Bleib im Dunkeln und gib dich unter meinem Namen aus sagte er mir immer wieder. Ich wusste wie wichtig es ihm war diese Frau zu bekommen. Doch ich machte mir keine Gedanken. Mir war es ziemlich egal welche Frau es war und wie ich vorgehen würde. Ich war mir sicher, meine Stimme würde diese Dame ab der ersten gesagten Silbe in die wildesten träume stürzen. Ich war siegessicher.

 

Ich nahm die mitgebrachten Sachen an mich und verabschiedete mich. Am Strand suchte ich eine freie Sitzbank, nicht weit von der Villa entfernt. Langsam glitt die Sonne unter den Horizont. Ich achtete nur auf sie, nicht auf die abweisenden Blicke der Menschen, die einen großen Bogen um mich machten, in der Angst ich könnte sie anspringen. Bis die obere Kante der Sonne im Meer versunken war, saß ich reglos da. Dann warf ich den Mantel über , stemmte den gewaltigen Kragen hoch und ging mit großen Schritten zur Villa hin. Langsam flammten die neuen Straßenlaternen auf. Letzte Menschengruppen gingen vom Strand. An der Villa ngekommen wartete ich noch einen Moment. Es dauerte nicht lange bis in den letzten Fenstern das Licht erlosch. Ich hopste über den niedrigen Zaun und schlich mich durch den gut gepflegten Vorgarten. Die Wachen wurden heute entlassen. Man erwartete mich, oder die Person als die ich mich ausgab. Auf der anderen Seite des Hauses angekommen sah ich ein Fenster in dem noch Licht brannte. Schwaches Kerzenlicht, so wie mein Freund es mit der Dame abgesprochen hatte. Per Brief hatte er Kontakt mit ihr aufgenommen. Langsam ging ich zum Fenster. Ich lauschte, ich hörte nur die Wellen, die im gleichmäßigen Rhythmus auf den Strand liefen. Vorsichtig klopfte ich an die unterste Kachel des Fensters. Kaum hörbare Schritte drangen aus dem Inneren. Schnell krempelte ich meinen Kragen nochmal höher und hielt inne. Das Fenster öffnete sich mit einem leisen Knarren. Das Kerzenlicht schien zum Glück nicht in mein Gesicht, jedoch verbarg es auch das der Frau.

 

Wir sprachen und sprachen. Ich erzählte ihr Geschichten und sie kicherte ab und zu. Der Mond würde bald über dem Haus stehen, was meine Tarnung auffliegen lassen würde. Ich verabschiedete mich mit einem Handkuss und begab mich wieder in mein kleines Anwesen. Immer noch bei mir zu Hause saß mein Freund und erwartete meine Ankunft. Er wollte

 

unbedingt erfahren wie ob es geklappt hat. Ich versicherte ihm, dass alles sauber verlaufen ist und die Frau bald ihm gehören würde. Daraufhin bat er mich das nächsten Abend zu wiederholen.

 

So ging ich jeden Abend hin und beschäftigte mich mit der Frau. Es würde nicht mehr lange dauern bis ich am Schlafmangel versagen würde. Das merkte auch mein Freund und schlug mir vor diese Frau einmal so zu sehen. Wir gingen zur Mittagsstunde auf den Marktplatz der Stadt. Sie sollte heute eine Rundfahrt mit einer Kutsche machen. So nahmen wir uns zwei Äpfel und setzten uns nicht weit von der Straße entfernt hin. Es dauerte nicht lang, bis eine schneeweiße Kutsche um die Ecke bog. In ihr, eine junge Frau in einem roten,extravaganten Kleid. Ihr langes,blondes Haar schimmerte in dem Sonnenlicht. Sie kam näher und ich bemerkte ihren verachtenden Blick als Sie auf mich guckte. Ich guckte meinen Freund an und sagte, das ich mein Versprechen brechen müsste. Er würde diese Frau nicht kriegen sondern ich! Er brach sofort in Gelächter aus. Mein ernster Blick weichte nicht von seinem Grinsen. Es sei alles vorbei, sagte er, er sei dieses Wochenende auf den Ball eingeladen, den der General jährlich veranstaltete, und es sei schon zu spät, etwas zu unternehmen. Ich sagte nichts und ging weg. Ich wusste nicht, was mit mir los war. Wie konnte ich meine Freundschaft wegen einer Frau aufs Spiel setzen. Ich machte hohe Einsätze, doch jetzt, wo ich die Frau gesehen habe, wusste ich, dass ich für sie bestimmt war. Am selben Tag kaufte ich mir noch einen Anzug.

 

Das Wochenende kam näher. Alle nötigen Vorbereitungen waren getroffen. Meinen Freund habe ich seit Tagen nicht mehr gesehen, jedoch störte es mich nicht allzusehr. Ich bin mir auch ziemlich sicher, er wollte mich auch nicht sehen.

 

Der Ball war im vollen Gange. Alle wichtigen Persönlichkeiten der Stadt und des Landes waren eingeladen. Außer mir. Jedoch konnte ich einen Weg hinein finden. Dank meinen nächtlichen Besuche kannte ich jeden Ein und Ausgang. Der große Saal war voll, an der Theke wurde Getränke angeboten, daneben stand ein Buffet und in der Tür ich. Angezogen in meinem neuen Anzug. Das milderte aber nicht die Reaktion der Menschen auf mein Aussehen, Die Gäste suchten schnellstmöglich eine freie Stelle, weit von mir entfernt. Ein Musikant lies sogar seine Geige fallen, worauf hin auch die anderen Musikanten mit dem Spielen aufhörten und in meine Richtung starrten. Ich selbst achtete nicht darauf, ich suchte die Frau meines Lebens im Raum. Ezabell hieß sie. Sie zu finden war nicht schwer sie in der Menge zu finden. Ich ging mit großen Schritten auf sie zu. Sie wusste nicht wohin, schaute sich um und suchte einen der ihr helfen

 

könnte. Das brachte mich im Inneren zum Lachen, doch ich zeigte das nicht nach Außen.Wahrscheinlich wollte sie nach den Wachen rufen als sie den Mund aufmachte, aber ich unterbrach sie dabei. Meine Stimme wirkte wie ein Beruhigungsmittel auf sie. Natürlich erkannte sie meine Stimme, die ihr jede Nacht zugeflüstert hatte, von der sie träumte.

 

Einige Wochen später waren wir ein Ehepaar. Ich lebte seit je an bei ihr. Es klappte mit uns alles perfekt. Doch eines Tages wurden mir meine abendlichen Badegänge im Meer zum Verhängnis. Ich verlor nämlich meine kostbare Stimme, als ich eines Morgens aufwachte. Wir saßen Nachmittags mit meiner Frau im Garten, doch es war nicht mehr so interessant. Sie versuchte noch auf irgendeine Weise ein Gespräch aufzubauen, doch es scheiterte laufend an meinen Versuchen zu antworten. Ihre Bemühungen ließen immer mehr nach.

 

Am nächsten Tag war sie fort. Ich fand ein Kurzen Brief auf der Kommode. Es hieß, sie ist mit meinem Freund weggefahren. Schnell warf ich meine Kleidung an und rannte zum Hafen, denn ich wusste wo mein Freund si hinbringen würde. Er hat es mir selber erzählt. Eine Menge Menschen befand sich auf den Straßen. Es war ein Arbeitstag und alle beeilten sich zur Arbeit zu kommen, fanden aber noch einen Moment Zeit, mir hinterherzuschauen. Nass vor Schweiß und außer Atem kam ich an den Docks an. Sofort sah ich die beide auf ein Schiff gehen. Ich wollte hinterherschreien, doch meine Stimme war nicht wiedergekehrt. Ich versuchte durch das Gedränge zu kommen, schaffte es aber nicht rechtzeitig. Das Schiff legte ab. Die beiden in ihrer Kajüte verschwunden. Ich lief in die nähste Apotheke. Dort zeigte ich dem Mediziner auf meinen Hals und versuchte ein Laut rauszubringen. Er verstand sofort und verschwand zwischen den Schränken. Ich überlegte wie ich meiner Frau hinterherkommen würde, als der Apotheker mit einer kleinen Flasche zu mir kam. Ich nickte dankend und legte all das Geld auf den Tresen, das ich mit hatte. Ich musste mich beeilen. Dem Plan nach würde Bald eine zweite Fähre abfahren, die einen Zwischenstopp in der Stadt machte, wo jetzt gerade meine Frau hingeschifft wurde. Unbemerkt gelang ich auf die Fähre und versteckte mich im Maschinenraum. Sofort würden die Arbeiter mich verpfeifen, aber ich half mit. Das änderte meine Situation. Ich glaube sogar, sie waren mir dankbar für die Hilfe.

 

An meinem Ziel angekommen, merkte ich, das wir zeitgleich mit dem anderem Schiff eingelaufen waren. Ich rannte hin und konnte noch da sein, bevor alle Passagiere von Bord gegangen sind. Ich brauchte eine Weile um mich einzufinden, und übersah mehrere Male die von mir gesuchten Personen. Doch als ich sie fest fixiert habe, konnte mich nichts

 

mehr stoppen. Das aufschrecken einiger Leute machte die beiden auf mich

aufmerksam. Ein Paar Meter vor ihnen machte ich Halt, nahm einen kleinen Schluck aus dem Fläschchen und verspürte ein angenehmes Brennen in der Kehle. Meine Stimme war wieder da. Und wie es weitergeht, wissen Sie schon selber. Ezabell ist wieder zu mir zurückgekehrt und weichte mir nicht mehr von der Seite.

 

Aber das beste ist, das Elixier was man mir gab, wirkte sofort! Seitdem trage ich immer ein Paar Fläschchen mit mir. Ich könnte ihnen ein Angebot machen und eins für den halben Preis verkaufen...“

 

Weiter hörte ich dem Mann nicht mehr zu, ich stand auf, stellte den Stuhl mit trauriger Miene zurück an seinen Platz und ging weg.

 

Und ich habe dem Mann geglaubt.

 

 

 

 

 

~Ende~

 
   
 
Impressum| Gästebuch|Kontakt| Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden